Linux-Abmahnungen sorgen für Verunsicherung in der Elektronikbranche
Viele elektronische Geräte benutzen Linux als Betriebssystem. Ein aktuelles Gerichtsverfahren in Köln beunruhigt Soft- und Hardwareentwickler. Dem Urteil könnten viele Abmahnungen gegen andere Unternehmen folgen.
Um was geht es bei der Gerichtsverhandlung?
Vor Gericht steht Mike Decker, der die Firma Geniatech Europe führt. Die Firma hat ihren Sitz in Herzogenrath bei Achen. Bei der drohenden Strafe handelt es sich um ein Ordungsgeld in Höhe von 250.000 Euro oder als Ersatz bis zu einem halben Jahr Haft. Die Strafe soll zustande kommen, wenn er nochmal gegen die Vorschriften in der Lizenz von Linux verstoßen sollte. Die Lizenzbedingungen von Linux sind extrem kompliziert. Verursacher der Gerichtsverhandlung ist Patrick McHardy, ein in der Szene umstrittener Entwickler, der einige Jahre für Linux gearbeitet hat. Das Oberlandesgericht wurde am 7. März 2018 in diesem Fall tätig.
Wo werden Linuxsysteme verwendet?
Die meisten großen Datenbanken und Webanwendungen werden über Webserver mit Linux als Betriebssystem gesteuert. Weniger Menschen ist bekannt, dass auch viel Unterhaltungselektronik Linux verwendet. In diesen Bereich fällt der Satellitenempfänger, welchen die Firma Geniatech im Sortiment hat. Der Geschäftsführer Decker gibt zu, bei der Linux-Lizenz GPLv2 (GNU General Public License) nicht genau gearbeitet zu haben. Seine Firma hat den Code von Linux verwendet und für die Verwendung ein wenig geändert. Dabei wurde vergessen den veränderten Quellcode offenzulegen. Diese Offenlegung soll anderen Linuxnutzern die Möglichkeit geben von der Erneuerung zu profitieren. Linux ist ein freies System, es darf von allen kostenlos genutzt werden. Die einzige Gegenleistung der Nutzer ist das Veröffentlichen der Änderungen. Durch die Veröffentlichungen sollen wieder alle anderen Verwender profitieren können, um das Linuxsystem einfach zu erklären.
Grund der Gerichtsverhandlung
Sogar McHardy denkt, dass der Verstoß gegen die Linux-Lizenz von Geniatech mittlerweile beseitigt wurde. Trotzdem kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. Decker meint dazu, dass er verhindern will, dass „Lizenz-Trolle“ überzogene Vertragsstrafen nutzen und damit die Nutzung von Linux für kommerzielle Projekte unmöglich machen.
Wer ist McHardy?
McHardy hat Netzfilter, eine Netzwerk-Komponete in der Entwicklung, mit vorangetrieben und war Kernel-Programmierer. Er sagt dazu, dass viele Teile des Codes damals von schlechterer Qualität waren als aktuell der Stand ist. Er hätte Jahre damit verbracht, den Code zu sortieren, Inkonsistenzen und Fehler zu beseitigen und ihn pflegbarer zu machen, sagt McHardy der dpa in einem Interview. Er gibt an, dass diese Arbeit sehr nervenaufreibend war. Aus diesem Grund hat er sich nach einem Jahrzehnt zurückgezogen und will sich nun mehr auf seine Entwicklungsarbeit anderer Linux Programme konzentrieren.
Wie sehen andere Linux-Aktivisten das Geschehen?
Fragt man andere Linux-Aktivisten nach ihrer Meinung, hört sich die Story anders an. Sie geben an das McHardy, wegen seiner Abmahn-Aktivitäten, umstritten war. Er wurde darauf hin im Sommer 2016 suspendiert. Über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren hat McHardy mehr als 50 Verletzungen der Linux-Lizenz angemahnt und teilweise auch vor Gericht gebracht. In Folge dieser Gerichtsverhandlungen sollen Zahlungen in Millionenhöhe angefallen sein.
McHardy selber sieht die Situation anders
Er ist der Meinung, dass der Vorwurf, er würde sich an einem Open-Source-Projekt bereichern, absolut abwegig wäre. Dagegen spricht, dass es in Deutschland gar nicht die hohen Schadensersatzsummen gibt, wie beispielsweise in den USA. Außerdem könne er keinen Schadensersatz für sich fordern. In Fällen, wie jetzt dem von Geniatech Prozess, handele es sich um Ordnungsgelder. Diese Ordnungsgelder fließen ausschließlich dem Staat zu. Für sich selber fordere er nur Schadensersatz. Der Schadensersatz betrifft die Kostenerstattung der angeschafften Geräte und der Anwaltskosten. Dabei räumt er ein, dass er bei besonders hartnäckigen Verletzern auch Vertragsstrafen gefordert zu haben. Dies betrifft nur Verletzungen, die widerholt vorkamen und nicht behoben werden wollten. Gerichte würden dazu tendieren Vertragsstrafen extrem zurückhaltend zu bemessen.
Wie findet die Szene McHardys Vorgehen?
Die Szene teilt sich. Einige Aktivisten begrüßen es, dass es jemanden gibt, der auf die Einhaltung der Verträge achtet. Der Vorwurf an McHardy ist, dass er sich selber bereichert und das erstrittene Geld nicht der Gemeinschaft der Linux-Entwickler zukommen lässt.
Was sagt Geniatech-Chef Decker dazu?
Er will das Gerichtsverfahren nutzen, um darauf hinzuweisen wie kompliziert es ist die Linux-Lizenz komplett zu erfüllen. Ein kleiner Formfehler bei der Veröffentlichung der Quellcodes könnte schon zu einer Klage führen. An Linux hätten über die Jahre mehr als 15.000 Programmierer gearbeitet. Wenn jeder dieser Programmierer als Urheber behandelt würde, entsteht ein unüberschaubares Abmahnungsrisiko. Er sieht alleine Linus Torvalds, den ursprünglichen Erfinder von Linux in der Position Abmahnungen auszusprechen. Seiner Meinung nach hat ein Mitarbeiter wie McHardy gar keine Berechtigung zu klagen. Dazu kommt, dass er einen außergerichtlichen Vergleich angeboten hätte. Auf sein Angebot wäre nie eine Antwort gekommen. Er will mit dieser Verhandlung für Ruhe sorgen und klare Fronten schaffen.